WDR Lokalzeit: 100 Jahre Das Lädchen

Das Lädchen, der Frauenverein für Verkaufsvermittlung von Wertgegenständen aus Privatbesitz, in der Kölner Innenstadt feierte einhundertsten Geburtstag und wurde aus diesem Grund in der WDR-Lokalzeit Köln am 18. Mai 2022 als Umschlagplatz für Schmuck, Porzellan und Silberwaren porträtiert.

 

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Experten für Existenzen

Ein Artikel aus dem Kölner Stadtanzeiger aus der Wochenendausgabe vom 27./28.5.2017. Vollständiger Artikel hier als PDF zum Herunterladen.

50 METER KÖLN Die „Agentur für Zukunftskommunikation“ und der Frauenverein „Das Lädchen“ liegen sich auf der Neven-DuMont-Straße direkt gegenüber – Die Attitüden der Betriebe aber könnten unterschiedlicher nicht sein.
VON ULI KREIKEBAUM (TEXT) UND MICHAEL BAUSE (FOTOS)

Doris zur Linden redet von Klöterkram, den ihr „Lädchen“ nicht annehme, von Tafelsilber, das niemand mehr für 1,20 Mark putze, von Meißen-Porzellan und der Bewahrung von Werten. „Ein bisschen puttrig darf es bei uns schon sein, aber wir wollen auch jüngere Menschen ansprechen“, sagt sie. Jan Fervers spricht von „digitaler Transformation“, „Industrie 4.0“, „Customer Journey“ (Kundenreise) und „ganzjährigem Werbedruck“. „Wir beraten unsere Kunden, wie sie den digitalen Wandel bewältigen.“ Fervers berichtet von Kunden und ihren Bedürfnissen, zur Linden von Menschen und ihren Geschichten.

Die „Agentur für Zukunftskommunikation“ und der Frauenverein „Das Lädchen“ liegen auf der Neven-DuMont-Straße vis-à-vis, wissen aber nicht voneinander. Auf der einen Straßenseite haben sich in einem unscheinbaren Klinkerbau aus den 1960ern Werbeagenturen niedergelassen, nebenan hat eines der inzwischen kaum noch zu zählenden Nagelstudios aufgemacht, an der Treppe zur UBahn-Station Appellhofplatz lagern Alkoholiker. Geschichtsträchtig geht es auf der anderen Seite zu. Da befinden sich St. Maria in der Kupfergasse, wegen seiner Schwarzen Muttergottes ein vielbesuchter Wallfahrtsort, das international bekannte NS-Dokumentationszentrum, das Antiquariat der Galerie Buchholz, das Kölner Münzkabinett und eben „Das Lädchen“, das man leicht als Anachronismus abtun könnte, das es aber seit 95 Jahren gibt und das ziemlich munter ist.

Ein „Verein zur Verkaufsvermittlung von Wertgegenständen“, gegründet während der Inflation nach dem Ersten Weltkrieg, was verbinden Sie spontan damit? Und was mit einer Werbeagentur für „Zukunftskommunikation“? Stimmen die Klischees: hier rührige Damen in einem angestaubten Laden, da tätowierte Hornbrillenträger in durchgestylten Büros? Dass die Wände im Laden des Frauenvereins bordeauxrot gestrichen sind, liegt auch an Doris zur Linden, die aus Flensburg stammt, dänisches Design mag und die Kunden mit einem erfrischenden „Moin“ begrüßt. Die 63-Jährige ist seit gut vier Jahre Vorsitzende des Lädchens. Sie hat Ende der 1970er einige Jahre für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ gearbeitet, hat Kurzgeschichten, Gedichte und Hörbücher veröffentlicht, darunter auch eine Geschichte über den Tod ihres vierten von fünf Kindern. Zur Linden kann gut erzählen und braucht nicht lange gefragt zu werden. Oft kommen ältere Damen mit ihren „Hackenporsches“ (Rollwagen), die sie mit Schmuck, Kerzenständer und anderen Devotionalien vollgestopft haben; es sind Dinge, die den Frauen wichtig sind, die sie aber verkaufen müssen, weil die Rente nicht reicht. Zur Linden erinnert sich auch an einen Mann, der mit seinem Sohn kam und Schmuck brachte, das Silber sei von seinen Eltern, sagte der Mann – ein Blick genügte und zur Linden wusste, dass die Ketten und Ringe von seiner Frau waren. „Ich habe das nicht zu kommentieren“, sagt sie, „aber einige der Geschichten sind schon hart.“

Die Sorge ist der kleinste und gleichzeitig größtmögliche gemeinsame Nenner der Menschen, die sich an das Lädchen und die Werbeagentur wenden. Die Ängste einiger Menschen, die zum Frauenverein kommen, ähneln auf erschreckende Weise jener der Witwen nach dem Ersten Weltkrieg. „Und es werden leider mehr“, sagt zur Linden. Die Sorgen einiger Kunden, die zu Jan Fervers, Kölner Standortleiter der „Agentur für Zukunftskommunikation“, kommen, sind weniger greifbar – auch wenn es letztendlich genauso um die Existenz geht: jene des eigenen Unternehmens. Nicht wenigen der Agentur-Kunden ist bange vor der sogenannten „digitalen Transformation“, der Verlagerung vieler Arbeitsbereiche ins Internet. „Für die Agentur bedeutet das natürlich Arbeit, wir wollen und werden expandieren“, sagt Fervers.

Jan Fervers entspricht nicht dem Klischee: Er trägt Sneaker und Ringelsocken zum Anzug, das ist aber auch das einzige Werbeagentur-Zitat. Die Atmosphäre in den Büroräumen ist ein bisschen kühl, Neonlicht, keine Bilder, durchgestylt ist anders. Fervers hat Kommunikationsdesign und Kommunikationswissenschaft studiert, der 44-Jährige hat Internetseiten programmiert, als die meisten Unternehmer noch nicht wussten, was „www“ heißt, hat früh Internetlösungen für die Unternehmenskommunikation entwickelt und später als Marketingdirektor für ein Golf- Unternehmen gearbeitet. Seit Anfang des Jahres ist er zurück bei einer Werbeagentur, weil das „der spannendste Job überhaupt“ sei, wie er sagt. Gut, es sei ein fordernder Beruf, wer „nine to five“ (9 bis 17 Uhr) wolle, sei bei einer Werbeagentur falsch. „Nicht jeder bleibt in dem Job, manche sind dem Druck auf Dauer nicht gewachsen“, sagt Fervers. „Für mich ist das aber ein Traumjob, weil jeder Kunde ganz anders ist und eine andere Kommunikationsstrategie braucht.“

Fervers redet davon, wie „Awareness“ (Bewusstsein) geschaffen, wie „prospektive Leads“ (anvisierte Kundenanbahnung) in „aktivierte Leads“ (tatsächliche Kontakte zum Kunden) verwandelt und schließlich neue Kunden gewonnen werden. Eine Sprache mit hohem Englischanteil – „Mobile first“ ist ein Schlagwort, „Industry 4.0“ ein anderes, es geht um „Social-Media-Kampagnen“ und „Cross-Channel-Marketing“. Für einige der Kunden ist die Sprache Neuland – „die Unternehmen werden sich alle daran gewöhnen müssen“, sagt Fervers.

Doris zur Linden sagt, ihr sei es wichtig, dass der Frauenverein, für den die meisten der 35 Frauen seit vielen Jahren arbeiten, „nicht zu altputtrig rüberkommt“. Puttrig, das sei in Ordnung, viele verbänden mit Porzellan von Meißen oder KPM eben auch die Oma, „aber wir wollen auch die jüngere Generation mit einbinden, deswegen haben wir den Laden etwas entstaubt“. Das Lädchen hat nun auch eine Internetseite, der Auftritt der Agentur für Zukunftskommunikation ist höchstens ein bisschen moderner. Welche Wertgegenstände angenommen werden, hängt im Lädchen auch von der Nachfrage ab: So sind bunte Römergläser seit einigen Jahren bei jüngeren Menschen wieder sehr beliebt und werden gern angenommen. Mit ihrer Vorstandskollegin Barbara Helfrich und dem Team hat zur Linden in den vergangenen Jahren die Verwaltungskosten gesenkt und den Laden modernisiert. Kunden, von denen einige auch aufdringlich sein können, müssen klingeln, zur Sicherheit nimmt eine Videokamera alles auf, was im Laden passiert. (Videoüberwacht ist übrigens auch der Innenhof der Barockkirche St. Maria, die Sekretärin im Pfarrbüro hat über Flachbildschirme jederzeit alles im Blick – weiteres Zeichen der digitalisierten Zeit.) Im „Lädchen“ gab es eine finanzielle Schieflage, die inzwischen nicht mehr bestehe, sagt zur Linden. Im vergangenen Jahr habe der Verein erstmals seit vielen Jahren wieder spenden können, 2000 Euro für den Sozialdienst katholischer Frauen. „Zu helfen ist ja unser eigentlicher Zweck.“

Mit „Analyse, Strategie, Maßnahmen, kreative Qualität“ umschreibt Jan Fervers das Handlungsprinzip seiner Werbeagentur. Doris zur Linden würde das für den Frauenverein so ähnlich unterschreiben. Jenseits solcher Allgemeinplätze halten sich die Gemeinsamkeiten in Grenzen. Wenn da nicht die Sorgen der Kunden wären.

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Das Lädchen – Geschäftemachen gegen die Not

Ein Artikel aus dem Kölner Stadtanzeiger vom 13.02.2012:
Link: http://www.ksta.de/koeln/-das-laedchen–geschaeftemachen-gegen-die-not,15187530,16248358.html

 

„Ein Hauch von Tradition und alter Familienatmosphäre umweht alle diese lange gehüteten Kostbarkeiten, Schmuck, Tafelsilber, oft noch mit dem Namenszug der Ahnen, geschliffene Gläser, gestickte Decken, auch einfache Gebrauchsgegenstände, Tisch- und Bettwäsche.“ So fasst Paula Müller-Schaffrath in ihrer 1977 verfassten Chronik zusammen, was „Das Lädchen“ in der Neven-DuMont-Straße ausmacht. In diesen Tagen hat es sein 90-jähriges Bestehen gefeiert.

Verkaufen für einen guten Zweck: Vereinsvorsitzende Hildegard Oschika (r.) und Mitarbeiterin Silvia Kleinebeckel. (Bild: Hennes) Im Februar 1922 wurde sein Träger, der gemeinnützige „Frauenverein für Verkaufsvermittlung von Wertgegenständen aus Privatbesitz“, von engagierten Frauen gegründet; federführend war Adele Meurer. Das Ziel war, Kölner Familien zu helfen, die in der Weltwirtschaftskrise in Not geraten waren. Sie konnten Kostbarkeiten wie Schmuck, Silberzeug und edle Porzellane dank Vermittlung des Vereins von Fachleuten taxieren lassen, und wenn sie mit dem Preis einverstanden waren, wurden die Sachen von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen verkauft. Der Erlös geht an den Anbieter.

Genau so funktioniert das „Lädchen“, das 1922 am Quatermarkt eröffnete und nach mehreren Umzügen 1958 in den Laden nahe des Appellhofplatzes wechselte, bis heute. Die Einrichtung sei „einmalig in der Bundesrepublik“, schrieb Paula Müller-Schaffrath, von 1964 bis 1982 Vereinsvorsitzende .

In der Vorstandsgeschichte tauchen bekannte Namen auf wie Brügelmann, von Oppenheim, Neven DuMont und Haubrich. Seit August 2000 führt Hildegard Oschika den Verein. Nach wie vor, sagt sie, gelte der Leitsatz: „Im Lädchen wird nicht verdient, sondern geholfen.“ Wer Dinge aus Privatbesitz veräußert, erhält den Betrag, der dem Verkaufspreis entspricht. Mit dem Aufschlag, den der Käufer zahlt, deckt der Laden seine laufenden Kosten. Vier Frauen sind in Teilzeit angestellt, dazu kommen 35 Ehrenamtlerinnen.

Die Ware stamme etwa von Menschen, die „sich kleiner setzen“, in ein Altenheim umziehen oder ihren Kindern Bargeld schenken statt Habseligkeiten vererben wollen. Das Sortiment reicht von alter, jahrzehntelang gehüteter Aussteuerware über Porzellanfiguren bis zu Besteck; den größten Anteil macht aber der in Kommission genommene Schmuck aus. In einer ersten Begutachtung im Büro wird entschieden, ob die Gegenstände kostbar genug sind. Bei positivem Ergebnis wandern die Dinge weiter zum Taxator, vom Goldschmied bis zum Kunsthistoriker.

Wenn das „Lädchen“ am Ende des Jahres einen Überschuss erwirtschaftet, wird dieser an soziale Einrichtungen gespendet. In den zurückliegenden Jahren waren das insgesamt mehr als 18 000 Euro, die unter anderem an das Hospiz für palliative Therapie in Köln. „Das Lädchen“, Neven-DuMont-Straße 17–19, ist montags bis freitags von 10 bis 18 Uhr und samstags von 11 bis 14 Uhr offen.

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